SCHWERPUNKT-
THEMA: 
MITARBEITER-
BINDUNG

Warum wir uns (erneut) mit 
diesem Thema auseinandersetzen 

„Führt man sich vor Augen, welche Schwierigkeiten Unternehmen in zunehmendem Maße bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften beziehungsweise Experten haben […], wird deutlich, dass sich das Interesse […] darauf richten muss, die bestehenden Mitarbeiter zu binden.“ 

Dieser Satz leitete im HR-Report 2012/2013 das Schwerpunktthema Mitarbeiterbindung ein. Er hat in den vergangenen elf Jahren nichts an Relevanz eingebüßt – im Gegenteil: Der Mangel nicht nur an Fach- und Führungskräften, sondern an Arbeitskräften allgemein ist gravierender denn je. Inzwischen hat er sich zu einem limitierenden Faktor entwickelt. Er hindert Unternehmen nicht nur daran, ihre strategischen Ziele zu erreichen, sondern die Personalknappheiten beschränken auch die Produktion und das Dienstleistungsangebot. Die Folgen sind eine Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft, Einbrüche bei den Umsätzen sowie gesamtwirtschaftliche Wachstums- und Wohlstandsverluste.

Darauf hingedeutet hat bereits der letztjährige HR-Report, in dem die befragten Entscheiderinnen und Entscheider den Fach- und Nachwuchs­kräftemangel mit 42 Prozent als am stärksten limitierend einstuften. Im Verlauf des Jahres 2022 hat sich die Situation noch verschärft. Im Juli sah das ifo-Institut den Fachkräftemangel auf einem Allzeithoch; nahezu die Hälfte der befragten Unternehmen fühlte sich davon beeinträchtigt.1 Die Boston Consulting Group schätzt die durch den Arbeitskräfte­mangel bedingte Wirtschafts­minderleistung in Deutschland auf jährlich 84 Milliarden Euro. Darin sehen die Berater ein strukturelles Defizit, liegt doch die Anzahl der offenen Stellen inzwischen fast doppelt so hoch wie im langfristigen Mittel.

Diese Entwicklung kam wahrlich nicht über Nacht. Bereits in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wurde der demografische Wandel gesellschaftsweit thematisiert und der Eintritt der sogenannten Babyboomer-Generation in den Ruhestand ab den 2020er Jahren als statistisch belegbares Szenario aufgezeigt. Getan hat sich jedoch wenig. Die anhaltende Ausstiegswelle der Babyboomer trifft die Unternehmen hart und vielfach unvorbereitet. Das Institut der deutschen Wirtschaft titelt treffend: „Der Fachkräftemangel ist plötzlich Realität“ und verweist ebenfalls darauf, dass Warnungen zu lange ungehört blieben.

Die Antwort vieler Arbeitgeber auf diese Mangelsituation lautet wie gewohnt, verstärkt nach Personal zu suchen. Allerdings erkennen Organisationen nun, dass es auch und gerade die Mitarbeiterbindung ist, auf die sich ihr Hauptaugenmerk richten muss. Denn für Beschäftigte, die das Unternehmen verlassen, findet sich auf dem Markt kein adäquater Ersatz mehr. Zudem zeigt sich deutlicher denn je: Arbeitnehmende, die die Wahl zwischen unterschiedlichen Arbeitgebern haben, schauen genau hin, welches Unternehmen für sie die besten Bedingungen bietet.

Dass es hier noch hohen Nachholbedarf gibt und die Mitarbeiterbindung weiter sinkt, fördert der aktuelle Gallup Engagement Index zutage: Nur noch ein Sechstel der Arbeitnehmenden in Deutschland fühlt sich emotional stark an den Arbeitgeber gebunden. 23 Prozent der Befragten und damit mehr als in den Vorgängerbefragungen möchten binnen eines Jahres nicht mehr in ihrem derzeitigen Unternehmen tätig sein. 42 Prozent planen, innerhalb der kommenden drei Jahre zu wechseln. Diese mittelfristige Wechselbereitschaft ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Betrachten wir in der Gallup-Studie dagegen die Gruppe derjenigen, die sich stark an ihr Unternehmen gebunden fühlen, dann wird erkennbar, dass sich die überwältigende Mehrheit (95 %) auch in einem Jahr noch bei ihrem jetzigen Arbeitgeber sieht. Mit steigender Bindung sinkt also die Wechselbereitschaft – und übrigens auch die Wahrscheinlichkeit für ein Burn-out.

Der Förderung der Mitarbeiterbindung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, lohnt sich also in vielerlei Hinsicht. Betriebswirt­schaftlich ist es sogar dringend geboten, verstärkt über das Halten der bestehenden Belegschafts­mitglieder nachzudenken. Daher lag es nahe, uns im vorliegenden HR-Report 2023 erneut mit dem Schwerpunktthema Mitarbeiterbindung zu beschäftigen.


Einsatz von Instrumenten 
zur Mitarbeiterbindung 

Der Blick auf die Einschätzung der Befragten, welche Rolle ausgewählte Instrumente zur Mitarbeiterbindung 2012/2013 beziehungsweise 2023 spielen, zeigt: Einige Prioritäten haben sich verschoben, während andere ähnlich wichtig geblieben sind.

2012/2013Rang2023
Gutes Betriebsklima01
Gutes Betriebsklima
Marktgerechte Entlohnung02Marktgerechte Entlohnung
Reputation des Arbeitgebers03Flexible Arbeitszeiten
Flexible Arbeitszeitmodelle04Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
Beschäftigungssicherheit05Betriebliche Zusatzleistungen

Top 5 der Instrumente, die nach Meinung der Befragten besonders gut geeignet sind, um Mitarbeitende an ein Unternehmen zu binden:

Die Top 2 – gutes Betriebsklima und marktgerechte Entlohnung – haben sich über den beträchtlichen Zeitraum von elf Jahren nicht verändert. Ebenso bleiben flexible Arbeitszeiten weiterhin ein wichtiges Bindungsinstrument. Dagegen findet sich die Reputation des Arbeitgebers, 2012/2013 noch auf Rang 3, im diesjährigen HR-Report abgeschlagen auf dem letzten Platz wieder. Auch die Beschäftigungssicherheit schafft es nur noch ins letzte Drittel. 

 Umgekehrt haben Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ebenso deutlich zugelegt wie betriebliche Zusatzleistungen. Dies spiegelt den Zeitgeist des vergangenen Jahrzehnts wider. Gerade durch den Einfluss der nachrückenden Generation Y, die heute im Vergleich zu 2012/2013 vollumfänglich im Berufsleben steht, ist die Vereinbarkeit beruflicher und privater Belange im beruflichen Selbstverständnis verankert und zu einem Attraktivitätsfaktor für Arbeitgeber geworden. Ähnlich verhält es sich mit betrieblichen Zusatzleistungen, die angesichts einer verlängerten Lebensarbeitszeit, niedrigerer Rentenerwartungen, hoher Inflationsraten sowie einer steigenden Unsicherheit ebenfalls immer wichtiger werden.

 Erstaunlich ist, dass Instrumente wie eine stärkenorientierte Personalentwicklung im Zeitvergleich eher an Bedeutung eingebüßt haben. Abgesehen von der Frage, inwieweit das die tatsächliche Wahrnehmung der Arbeitnehmenden reflektiert, zeigen sich deutliche Unterschiede im Antwortverhalten nach der Position der Befragten. Führungskräfte aus dem HR-Bereich weisen der Personalentwicklung eine deutlich höhere Bedeutung zu (45 %) als Führungskräfte aus Fachabteilungen (27 %), Unternehmensleitungen (29 %) und Mitarbeitende ohne Führungsverantwortung (33 %). Im Gegenzug sind für HR-Spezialisten die marktgerechte Entlohnung und das gute Betriebsklima etwas weniger relevant für die Mitarbeiterbindung als für die übrigen Gruppen. 

 Wie bereits im HR-Report 2012/2013 zeigen sich nach Einschätzung der Befragten teils beträchtliche Lücken zwischen der Bedeutung und dem tatsächlichen Einsatz der Instrumente zur Mitarbeiterbindung. Nur bei den flexiblen Arbeitszeiten und den Personalentwicklungsmaßnahmen stimmen Theorie und Praxis überein. Ansonsten sind die Abweichungen teils erheblich. In den Jahren davor waren Wunsch und Wirklichkeit stärker miteinander im Einklang.

Maßnahmen und Instrumente zur Mitarbeiterbindung

Basis: n = 1.001 (alle Befragten), Mehrfachnennungen
Auswahl der fünf wichtigsten Aspekte

23 degrees

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